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becklink 2012217 |
Führt ein öffentlicher Arbeitgeber nach einer Stellenausschreibung Auswahlgespräche durch, müssen schwerbehinderte Bewerber auch dann zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden, wenn die Stelle nur intern ausgeschrieben wurde. Bewirbt sich der Bewerber um mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil, ist grundsätzlich für jede Bewerbung ein Vorstellungsgespräch zu führen. Etwas anderes gilt nur, wenn das Auswahlverfahren identisch ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 01.11.2018 entschieden (Az.: 21 Sa 1643/17).
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der beklagten Bundesagentur um zwei intern ausgeschriebene Stellen mit identischem Anforderungsprofil in Berlin und Cottbus beworben. Die Beklagte lud ihn nur wegen der in Berlin zu besetzenden Stelle für ein Auswahlgespräch ein; wegen der Stelle in Cottbus wurde der Kläger zu keinem derartigen Gespräch eingeladen. Nachdem der Kläger für beide Stellen nicht berücksichtigt worden war, hat er einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG geltend gemacht.
Das LAG hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt. Der Kläger sei wegen seiner Behinderung benachteiligt worden, weil er nicht in Bezug auf die in Cottbus zu besetzende Stelle zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Entschließe sich der öffentliche Arbeitgeber zur Durchführung von Auswahlgesprächen, müsse er einen schwerbehinderten Bewerber zu einem derartigen Gespräch einladen, auch wenn die Stelle nur intern ausgeschrieben worden sei. Dies erfordere der Sinn und Zweck des § 165 S. 3 SGB IX, mit dem für schwerbehinderte Menschen gleiche Bewerbungschancen hergestellt werden sollen.
Bei Mehrfachbewerbungen um Stellen mit identischem Anforderungsprofil genüge die Einladung zu nur einem Gespräch nur dann, wenn das Auswahlverfahren identisch ist, die Auswahlkommissionen sich aus denselben Personen zusammensetzen und zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen nur wenige Wochen liegen. Ansonsten müsse aufgrund jeder Bewerbung ein gesondertes Auswahlgespräch geführt werden. Das Gericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
Zimmerling/Zimmerling, Der Diskriminierungsschutz schwerbehinderter Bewerber im öffentlichen Dienst (als Tarifbeschäftigte), öAT 2014, 90
BAG, Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung eines Bewerbers wegen im Lebenslauf versteckter Information, BeckRS 2014, 66055
BAG: Mitteilung der Schwerbehinderung auch bei Zweitbewerbung erforderlich, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 19.09.2014, becklink 1034683
BAG: Entschädigung für nicht zu Vorstellungsgespräch eingeladenem schwerbehinderten Bewerber, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 17.02.2012, becklink 1018825